Allgemein

AUF ZUM GOLDENEN FELSEN

17. JANUAR 2019

Auf zum „KYAK-HTIYO“ – zum goldenen Felsen! Nach dem Frühstück stapfen wir los zum Abfahrtsort der „Busse“ direkt im Zentrum von Kinpun. Wir nähern uns zögernd, werden aber direkt an den Ort verwiesen, den wir am vorigen Abend entdeckt haben. Da stehen die umgebauten Pritschen-LKWs , daneben Aufstiegs-Plattformen, ähnlich denen in Ayutthaya zum Besteigen der Elefanten, nur geht’s hier auf die Sitzreihen der Lastwagen. Jedem ankommenden Fahrgast wird ein Sitzplatz angewiesen, und wo schon fünf Personen auf engstem Raum sitzen, wird noch ein sechster dazu gequetscht.

Fühlt sich erst einmal zu nah und zu dicht an, aber kaum fährt der Fahrer los, wird der Vorteil dieser Enge klar, denn niemand kann in den Kurven umfallen. Die Straße hinauf zum Felsen ist eine steile Serpentinenstraße, unser Fahrer scheint ein Fan von Achterbahnen zu sein, denn er fährt dermaßen schnell in die Kurven, dass ich Angst habe, mit Karacho hinausgetragen zu werden. Wie gesagt, wir sitzen alle fest, umfallen kann keiner, aber dass der Wagen diese Kurvenlage hält, ist fast nicht zu glauben. Vielleicht wird durch diese kurze Beschreibung schon klar, dass mir diese Fahrt in die Knochen und vor allem in den Magen fährt. Achterbahnen habe ich bisher in meinem Leben vermieden. Einigen Mitfahrenden scheint es ähnlich zu ergehen, denn während der Fahrt ertönt eine Kakophonie aus Entsetzensrufen und Angstschreien. Unterwegs sind einige Mitfahrende ausgestiegen, um das letzte Stück zum Gipfel ganz ohne Kurven mit einer modernen Seilbahn hochzuschweben. Zusammen mit meinem ohnehin flauen Gefühl im Magen, flattert alles in mir, als wir endlich oben ankommen.
Einmal tief durchatmen und hoffen, dass sich dieses Gefühl wieder legt. Wir ziehen vor dem Betreten der Anlage wie immer die Schuhe aus, gehen barfuß weiter und strömen mit sehr vielen anderen hinein in das Gelände, das den Felsen umgibt. Erst müssen wir als Fremde noch eine Eintrittsgebühr bezahlen, bekommen ein Schild um den Hals gehängt, das uns als „FOREIGNER“ kennzeichnet, erst dann dürfen wir weiter und sehen bald die wohl ungewöhnlichste Pagode Myanmars, denn auf einem gewaltigen, mit Gold besetzten Felsbrocken sitzt ein goldener, an der Spitze mit Edelsteinen besetzter Stupa. Dass er die Jahrhunderte über an seinem Platz blieb, verdankt er wohl einem Haar Buddhas, das in ihm eingeschlossen ist. Eine Legende erzählt, dass ein König einst von einem Eremiten ein Haar Buddhas erhalten habe, unter der Bedingung, einen seinem Schädel gleichenden Felsblock zu finden. Dies sei dem König mit Hilfe des obersten Nats gelungen, der auf dem Meeresgrund fündig wurde. Und so ist dieser Ort mit dem balancierenden goldenen Felsen bis heute ein Wallfahrtsort für die Gläubigen, der im Lauf der Jahre mit vielen Souvenirläden, Restaurants, Hotels völlig überladen ist. Träger stapeln auf dem Rücken oft schwerste Koffer, schleppen sie zu den Unterkünften und auf Wunsch tragen sie zu viert Besucher in Sänften zur gewünschten Stelle. Ein bizarres Schauspiel.

Als wir den Felsen entdecken, bin ich überrascht, wie klein er tatsächlich ist. Ich hatte ihn mir viel mächtiger vorgestellt, doch die Größe scheint keine Rolle zu spielen.

Wir nähern uns dem heiligen Ort, zu dem Frauen keinen Zugang haben. Aber Peter wagt sich ganz dicht ran und hat Glück, denn zwei Mönche schenken ihm Goldplättchen, die er auf den Felsen kleben kann. Diesen Brauch, Buddhas oder Stupas mit Gold zu bekleben, haben wir schon an vielen Orten kennengelernt, hier kann Peter daran teilhaben.

Ich beobachte das Treiben rund um den Felsen, das „In-Position-Stellen“ vieler für ein gelungenes Foto oder Selfie mit Felsen. Es geht ein leichter Wind und so flattert mir mein Fremdsein an diesem Ort um die Ohren in Form der Eintrittskarte, die ich um den Hals hängen habe. Aber auch die Sonne brennt inzwischen stark vom Mittagshimmel und ich spüre schon, dass ich meinen ungeliebten Hut vergessen habe. Ich bekomme Kopfschmerzen und mir graust schon vor dem Rückweg mit dem LKW. Ursprünglich wollten wir die 11 km hinunterlaufen, aber die Straße ist sehr eng und mit den wilden Fahrern ist dieser einzig mögliche Weg für uns undenkbar. Als Peter vom Felsen zurückkommt, entdecken wir einige Schritte weiter noch einen Markt mit Obst, Gemüse und mehr, beschließen aber, möglichst bald wieder runterzufahren. Also die Schuhe anziehen und zur „Verladestation“. Ähnliches Prozedere wie beim Hinweg, genauso enges Sitzen, aber zu meiner Erleichterung steuert der Fahrer den LKW vorsichtiger hinunter. Ich steige unten mit weniger weichen Knien aus.
Nach diesem Abenteuer machen wir erst einmal Station in unserem schönen Hotelzimmer, ruhen uns etwas aus, stärken uns, ich versuche meinen Magen zu beruhigen, der mir immer noch signalisiert, dass er gestresst ist.
Aber Ruhe gibt’s erst nach unserem nächsten Gang: Wir müssen noch einmal mit einem Bus fahren, zurück in das Dorf, in dem wir mit dem Bus angekommen sind. Dieses Mal wollen wir zum Zugbahnhof, unsere Tickets für den nächsten Tag kaufen für die 4-stündige Fahrt nach Yangon. Zugfahrten in Myanmar sollen ein Erlebnis sein, das wir uns nicht entgehen lassen wollen. Wir steigen in ein Tuk-Tuk-Sammeltaxi, zusammen mit anderen Fahrgästen und wissen wieder einmal nicht, ob der Fahrer verstanden hat, wohin wir wollen. Aber auf Nachfrage nickt er zustimmend und signalisiert uns, dass er den Weg genau wisse. Als er aber an einem staubigen, mit Müll übersäten Ort anhält und uns klarmacht, dass wir hier aussteigen sollen, glauben wir ihm nicht. Erst als auch die anderen Fahrgäste nicken und etwas murmeln von „Train, bzw. Station“, steigen wir aus und er braust davon.

So bleibt uns nichts anderes, als mutig zu suchen, was wir nicht zu finden glauben. Was für eine Überraschung, als wir schließlich verrostete Bahngleise entdecken, über die eine löchrige Holzbrücke führt, die eifrig benutzt wird, von Fußgängern, Fahrradfahrern und Mopedfahrern.

Mit einem riesigen Staunen im Gesicht stehen wir da, da erbarmt sich eine betagte Bhikkhuni, so nennt man buddhistische Nonnen, unserer und führt uns über die Brücke, weg von den Gleisen zu dem Ort, von dem sie glaubt, dass wir ihn suchen. Ich bemerke zwar, dass sie uns in die entgegengesetzte Richtung führt, will sie aber immer noch überzeugen, dass wir nicht den Busterminal , sondern den Zugbahnhof suchen, aber sie bleibt bei ihrer Meinung und erst ein vorbeifahrender Mopedfahrer, der unsere „Unterhaltung“ mitbekommt, macht der Frau klar, dass wir etwas anderes suchen und so entlässt sie uns aus ihrer Obhut. Wir kehren zurück über die Brücke und nähern uns dem einzigen Gebäude, das vielleicht zur Bahn gehören könnte. Und siehe da, durch ein vergittertes Fenster sprechen wir mit einem Mann, der uns gleich zu sich hereinwinkt.

Er verkauft uns Fahrkarten für morgen, schärft uns ein, dass wir früher da sein müssen, und so ziehen wir einigermaßen beruhigt unserer Wege. Nun müssen wir nur noch zurück zu unserem Hotel kommen. Also wieder ein Sammeltaxi anhalten, hochklettern, mitfahren, in „unserem“ Dorf aussteigen und zum Hotel zurücklaufen. Ich bin ziemlich erledigt, begleite aber Peter noch zum Abendessen, das uns beiden nicht schmeckt und bislang das teuerste in Myanmar ist. Ich bekomme heftige Magen- und Darmkrämpfe und hoffe, dass ich morgen die Zugfahrt gut überstehe.

18. JANUAR 2019

Mit geht’s nicht gut. Ich kann nichts essen, trinke einen Tee und nehme Imodium Tabletten, in der Hoffnung, dass sie mir eine ruhige Zugfahrt erlauben. Wir müssen erst gegen Mittag auschecken, das trifft sich gut, denn unser Taxi zum Bahnhof ist auf halb zwölf bestellt. Also packen wir in aller Ruhe unsere Rucksäcke, schauen uns die wirklich schöne Anlage des Hotels noch einmal an, nutzen das Internet und gehen dann zur Rezeption in der Annahme, dass uns ein Taxi, also ein richtiges Auto abholt. Aber was steht da? Ein Tuk-Tuk ohne Sitzplätze, wo wir als Fahrgäste auf einem ausgebreiteten Teppich hinten Patz nehmen dürfen, neben unserem Gepäck.

Die Fahrtstrecke kennen wir schon. Den Ankunftsort auch. Wir steigen also gefasst aus und tragen unsere Rucksäcke zu den Bahngleisen. Es sind auch tatsächlich andere wartenden Menschen da. Zuerst rattert ein Zug in die entgegengesetzte Richtung in den Bahnhof.

Einige steigen ein und bald verlässt dieser Zug den Ort. Der nächste müsste unserer sein. Mir wird unangenehm heiß, ich spüre eine seltsame Enge in mir, fühle mich total unwohl, rufe Peter zu mir und das nächste, woran ich mich erinnere, ist die ungewöhnliche Perspektive, die sich mir plötzlich bietet. Ich sehe verschiedene Menschen, aber alle von unten nach oben. Darunter Peter, ein europäischer Tourist, der mir zuvor aufgefallen ist, der Bahnwärter und andere, mir unbekannte Leute. Alle stehen um mich herum. Der Tourist hält meine Beine nach oben und spricht beruhigend auf mich ein. Ich solle ganz ruhig atmen, liegen bleiben, bis der Zug kommt. Ich schließe aus meiner ungewöhnlichen Position und den Umständen, die ich erst allmählich erkenne, dass es mir den Stecker gezogen hat und ich zusammengeklappt bin. Peter bestätigt das. Ich sei einfach zusammengesunken und er habe mich sanft auf dem Boden ablegen und meinen Kopf sichern können. Komisches Gefühl, da auf dem staubigen Boden zu liegen, umgeben von zumeist wildfremden Menschen, die mich alle wohlwollend bis mitleidig betrachten. Der Zug naht, ich versuche aufzustehen, mit Peters Hilfe. Es klappt. Der Bahnwärter und ein Kollege schleppen meine Rucksäcke und begleiten mich zu unserem Abteil, wo ich nur noch auf den reservierten, bequemen Polstersitz plumpsen muss und entspannen kann. Peter gesellt sich zu mir, der Tourist sitzt gegenüber. Die Fenster sind weit geöffnet und als der Zug anfährt wird klar, dass das die Belüftung während der Fahrt ist. Nach einigen Minuten tauchen neben mir plötzlich zwei Bananen auf. Ich drehe mich um und schaue in das freundliche Gesicht eines Mönches, der wohl mitbekommen hat, was mir passiert ist und so helfen möchte. Ich bedanke mich und esse gleich eine, denn bis dahin habe ich kaum etwas zu mir genommen. Die ganze Fahrt über döse ich vor mich hin, der langsame, ruckelnde Rhythmus tut sein Übriges, und so kann ich mich einigermaßen erholen bis zur Ankunft in Yangon.

Dort versuchen wir gleich Karten zu bekommen für den Nachtzug nach Mandalay, finden aber den Kartenschalter, der sich außerhalb des Bahnhofs befindet, nicht. Mit vollem Gepäck also zurück. Vor dem Bahnhofsgebäude rätseln zwei Taxifahrer über den Weg zu unserem Hotel und streiten schließlich darum, wer uns chauffieren darf. Es ist 17 Uhr, wir stehen ständig im Stau und brauchen ewig für die paar Kilometer zu unserem Hotel.


Nach dem Einchecken lege ich mich gleich ins Bett und schlafe weiter. Peter zieht alleine los und isst etwas in einer original myanmarischen Teestube und besorgt in einem Supermarkt Crackers und Cola für mein angeschlagenes Magen-Darm-System, während ich bereits dem nächsten Tag entgegen schlummere.

2 Kommentare

  1. Susanne Mayer

    Jetztedle… hab ich auch von Deinem Unglück gehört – aber so sanft abgesunken zu werden – das ist ja schonmal wieder Glück im Unglück!
    Guter Peter! Und so aufmerksame Menschen um einen herum – da wird doch wieder der Glaube an das grundsätzlich Gute im Menschen bestärkt!
    Also – weiter vorsichtig bleiben, und keine geschälten Früchte von der Straße essen – auch wenn sie noch so hübsch drapiert sind!
    >> Cook it Peel it or leave it << ist die goldene Regel! Gute Besserung und Gesundbleibung! xxx Sanne

    1. Tja, wenn wir nicht schon in Südamerika gelebt hätten, und auch auf diese Weise gereist wären, könnten wir deine Ratschläge gut brauchen … aber das alles ist unsere Grundvoraussetzung fürs Reisen. Und wenn Smoothie und Cappuccino auf dem Tisch stehen, so heißt das, dass wir uns für zweierlei Getränke entschieden haben … aber trotz aller Vorsicht, verträgt mein europäisch eingestellter Magen nicht alles …

Schreib eine Antwort auf Eva Antwort abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..