31. DEZEMBER 2018
Der Wecker ist auf 5.30 Uhr gestellt – wir sind schon oder noch wach, denn das große Kribbeln, auch Reisefieber genannt, hat uns gepackt. Nach vielen Wochen, in denen wir über unsere bevorstehende Reise gesprochen haben, aber gefühlsmäßig noch weit davon entfernt waren, ist er nun endgültig da: Der Tag der Tage, unser Start ins Reiseabenteuer Südostasien.
Um 7.00 Uhr schultern wir jeder zwei Rucksäcke, einen großen hinten und einen kleinen vorn und stapfen los zum kleinen Bahnhof in Böhringen. Der Seehas kommt pünktlich und auch der IC nach Stuttgart fährt pünktlich auf die Minute in den Singener Bahnhof ein.

Wir haben viel Platz im Abteil und können uns ausbreiten. Nach etwa einer Stunde aber bleibt der Zug auf freier Strecke stehen und die befürchtete Durchsage ertönt: „Wegen technischer Probleme eines entgegenkommendes Zuges kommt es zu Verzögerungen.“ Der Alptraum wird also wahr, wir haben eine Umsteigezeit von 19 Minuten in Stuttgart, dachten eigentlich, das sei genug, und nun … bange Minuten folgen mit dem Ergebnis, dass uns Fahrgästen, als der Zug schließlich weiterfährt, mitgeteilt wird, der ICE nach Frankfurt könne leider nicht warten. Gut nur, dass Peter auf der DB-App gesehen hat, dass dieser ICE auch einige Minuten Verspätung hat, also rennen wir am Stuttgarter Hbf los. Stolpern wäre wahrscheinlich der bessere Ausdruck für unsere etwas unbeholfene Lauftechnik, beladen wie wir sind. Aber: Bingo! Wir erreichen unseren geplanten ICE, gemeinsam mit vielen anderen Läufern. Etwas außer Atem stehen wir das erste Stück der Strecke zwischen den Abteilen, bis nach Mannheim zwei Plätze frei werden. Tiefes Durchatmen ist angebracht. Im Flughafen klappt alles reibungslos: Gepäckaufgabe, Sicherheitscheck, Orientierung. Wir sitzen nicht lange am Gate, da werden wir auch schon zum Boarding gerufen. Alles geschieht sehr unaufgeregt, da in dem Airbus auf zwei verschiedenen Ebenen und durch mehrere Türen eingecheckt wird. Unsere Plätze sind weit vorn, aus dem Fenster kann man gut sehen, kein Flügel versperrt die Sicht, neben mir sitzt eine sympathische Frau, die ihren Sohn mit Familie in Sidney besuchen wird – es kann losgehen! Wir checken gleich das vielgelobte Entertainment-Programm und werden rasch fündig. Ich schaue mir die englische Komödie „Juliet, naked“ an und Peter „Ballon“, einen deutschen Film. Die Zeit vergeht schnell, der Flieger legt die Strecke schneller als erwartet zurück, so landen wir bereits zwanzig Minuten vor Mitternacht Ortszeit in Dubai. Es ist die Silvesternacht und wir sind gespannt, was wir wohl vom Flughafengebäude in Dubai mitbekommen. Die Antwort lautet: Nichts, bis auf ein kurzes rotes Aufleuchten am Horizont, somit war das wohl eines der unspektakulärsten Sivester, das wir je erlebt haben. Dafür ist der Flughafen selbst ein Spektakel mit seiner üppigen Austattung. Wir suchen uns ein Plätzchen, verschieben das Anstoßen auf 2019 und beginnen in aller Ruhe das neue Jahr.
Schon zwei Stunden später geht es weiter nach Bangkok. Auch dieser Flug mit Emirates ist sehr angenehm: Weiterhin gute Unterhaltung – für mich der Film „the Wife“ nach einem Roman von Meg Wollitzer, den ich erst vor Kurzem gelesen habe, und der erst 2019 in die deutschen Kinos kommen wird – für Peter eine Schachpartie, oder waren es mehrere? Einziger Wermutstropfen: Ich schütte meinen Wasserbecher um und bade meine Socken, meine Schuhe und meine Hose gründlich. Es ist nicht kalt im Flugzeug, deshalb ist auch das kein Problem und so kommen wir gegen zwei Uhr mittags am Flughafen in Bangkok an und betreten zum ersten Mal in unserem Leben asiatischen Boden. Mit Ehrfurcht, kann ich gestehen, denn es ist mir nicht geheuer, dass ich weder die Sprache kenne, noch die Schrift lesen kann. Aber trotz dieser Zweifel und Befürchtungen setze ich mutig einen Schritt vor den anderen und erreiche so zusammen mit Peter die Zollkontrolle, wo wir auch das Visum ausgestellt bekommen. Das Anstehen dauert nicht lange, ein uniformierter Mann mit unbewegter Miene stempelt alles Nötige in den Pass, legt noch ein Papier zur Ausreise hinein und so werden wir binnen weniger Minuten stolze Besitzer eines 30-tägigen Touristenvisums. Auch unsere Rucksäcke zuckeln uns auf den Gepäckbändern unbeschädigt entgegen, wir setzen sie auf und gehen hinaus aus dem Flughafengebäude in einen heißen thailändischen Tag, den ersten Tag des Jahres 2019. Nun müssen wir uns um eine Möglichkeit kümmern in die Stadt zu kommen, da unser Hotel ziemlich zentral, also mitten drin liegt. Wir finden einen vollen Linienbus, in den wir uns mit unserem Gepäck hineinzwängen. Ob wir wohl mitbekommen, wann wir die richtige Haltestelle erreichen und aussteigen müssen? Ich spreche mit einer Mitfahrerin, die zufällig unser Hotel kennt. Sie meint, sie steige an derselben Stelle aus, alles kein Problem „alles easy“. Als es aber soweit ist, hält der Bus zwar an, die junge Frau springt hinaus, bis wir allerdings mit unseren Rucksäcken bei der Tür sind, ist die schon wieder geschlossen und wir fahren weiter. Ich rufe zur Busbegleiterin, die meint aber nur, dass sie eigentlich gar nicht halten dürfen an der Stelle. Mein ratloses Gesicht ob dieser Erklärung, habe ich leider nicht gesehen! Nach einigen Minuten darf der Bus dann doch halten und wir schaffen es auch hinauszuspringen. Doch wo wir jetzt sind, das wissen wir erst einmal nicht. Und an dieser Stelle möchte ich den modernen Medien ein großes Lob aussprechen, denn dank des Stadtplans in unserem Handy können wir sehen, wo wir sind und wo unser Hotel ist. Alles „really easy“, die junge Frau hatte doch Recht!
01. JANUAR 2019 – ANKUNFT IN BANGKOK
Wir erreichen nach kurzem Fußweg unser Hotel, gelegen in einer kleinen unscheinbaren, eher schäbigen Seitengasse einer achtspurigen Hauptverkehrstraße, die wir niemals ohne besagte Hilfe gefunden hätten. Von außen ein nicht sehr auffälliges Gebäude, das seine Besucher mit dem Schild empfängt, dass keine Prostituierten auf dem Zimmer erlaubt sind, erwarten wir nicht viel, als wir mit dem Schlüssel in der Hand in den 5. Stock fahren. Aber das Zimmer ist groß, bietet Ablageflächen, das Bad ist okay und von der Straße hört man nichts. Alles gut, bis auf die wahnsinnig harte Matratze, aber das muss mein Rücken packen, sage ich mir … statt des Straßenlärms hören wir Vögel, deren kurze und laute Rufe uns an unseren Aufenthalt im peruanischen Regenwald erinnern. Und das mitten in der Stadt! Wir lassen erst einmal alles fallen, legen uns aufs Bett, versuchen die vielen Eindrücke zu verarbeiten, dabei aber nicht einzuschlafen, auch wenn alles danach schreit, jetzt sofort in einen tiefen Schlaf zu sinken, aber was wirklich wichtig ist: Wir sind angekommen!
Während der Busfahrt haben wir verschiedene Gesichter der Stadt gesehen, einerseits eine moderne Skyline, aber auch viele baufällige Hütten. Vieles erinnert uns an Lima, an Südamerika, nur der Verkehr scheint hier weniger hektisch, nicht so aggressiv wie dort. Wie dort hängen Stromkabelbündel entlang der Häuser, über den Gehwegen – auch das kennen wir schon. Millionenstädte scheinen sich zu ähneln.
Bevor wir doch einschlafen und somit dem Jetlag erliegen, brechen wir auf zur ersten Entdeckungstour in der näheren Umgebung. Wir laufen an einem Kanal entlang in Richtung des großen Flusses Chao Phraya, neben dem Mekong der größte und wichtigste Fluss Thailands, und schnuppern, sehen, hören und fühlen diesen Teil der Stadt. Es wird schnell dunkel und wir gehen durch finstere, enge Gassen. Niemand spricht uns an, keiner bettelt oder drängt sich uns auf, ein großer Unterschied zu Südamerika. Hier begegnen uns viele Menschen mit einem Lächeln. Wir fühlen uns sicher, das tut sehr gut. Am Fluss sehen wir Anlegestellen für Expressboote durch die Stadt, ähnlich den Vaporetti in Venedig: Das werden wir ausprobieren, unbedingt. Aber für heute reicht es uns, wir suchen etwas zu essen und finden ein kleines, offenes Restaurant, geführt von einem jungen Pärchen, sie Thailänderin, er Engländer. Dort genießen wir unsere erste warme Mahlzeit mit Reis, viel Gemüse, Tofu bzw. Chicken. Dazu ein Mangosmoothie und ein Bier – alles ist sehr lecker und so treten wir gesättigt und zufrieden unseren Heimweg an, wo uns die große Straße, die in der Nähe des Hotels liegt, in vermeintlich weihnachtlicher Illuminierung anstrahlt. Wir entdecken Porträts der Königsfamilie, geschmückt, verziert, üppig beleuchtet und erkennen, dass diese Inszenierung nichts mit Weihnachten zu tun hat. Mit dieser Erkenntnis und dem neuen Wissen, dass der König über alle Maßen verehrt wird, kehren wir zurück ins Hotel und fallen vorsichtig auf unsere knallharte Matratze, um keine blauen Flecken zu bekommen. Endlich dürfen sich unsere müden Knochen ausruhen!




02. JANUAR 2019 – KULTUR PUR
Wir schlafen bis um 11 Uhr und verpassen unser Hotelfrühstück, also brechen wir gleich auf zu unserer ersten Entdeckungstour in die Stadt. Die berühmtesten Sehenswürdigkeiten: Der Königspalast mit dem WAT PHRA KAEO und dem Smaragdbuddha, sowie dem WAT PHO (ein liegender Buddha) stehen auf dem Programm. Weit kommen wir nicht, denn bei einer großen Kunstgalerie entdecken wir ein Café mit einer vielversprechenden Kaffeemaschine. Wer uns kennt, weiß, dass wir daran nicht vorbeikommen – ohne Frühstück am Morgen schon gar nicht! Und der Besuch lohnt sich, wir sitzen bald vor einem herrlichen Cappuccino, der genauso gut schmeckt, wie er riecht. Jetzt kann‘s weitergehen. Laut Stadtplan ist es nicht allzu weit, also gehen wir zu Fuß, denn so bekommen wir viel von der Stadt mit. Der Weg führt uns vorbei an einer Schreinerstraße, in der kleinere Möbel und Haustüren fabriziert und angeboten werden und ganz am Ende gibt es eine offene Werkstatt, in der mehrere Männer Klangschalen produzieren. Wir gehen weiter an vielen Garküchen vorbei, viele verschiedene Gerüche ziehen an unseren Nasen vorbei, aber noch sind wir nicht bereit für eine warme Mahlzeit. Eher für frische Mangoschnitze. So gestärkt betreten wir, ordentlich gekleidet mit bedeckten Schultern, Ellbogen, Knien und halbwegs geschlossenen Schuhen das Gelände des Königlichen Palastes. Schon der erste Schritt hinein befördert uns mitten hinein in eine prachtvolle Anlage, in der Sonne glänzende Golddächer, verschiedene Darstellungen wie grimmig dreinschauende Wächtern, oder goldene Frau-Schwäne. Ein Tempel schöner als der andere, dazwischen viele Besucher, alle auf der Jagd nach den besten Fotomotiven. Auch der Königspalast selbst ist sehr eindrucksvoll. Wir lassen uns durch den WAT PHRA KAEO treiben und sind überwältigt.

Stunden später verlassen wir dieses Gelände und gehen nur wenige Schritte weiter, um dort die Anlage um den Tempel eines liegenden Buddhas, den WAT PHO, zu besuchen. Gleich am Anfang fühlen wir uns hier wohler als im vorigen. Ob es an den wenigen Besuchern liegt? Oder an den vielen kleinen Figuren in verschiedensten Yoga-Positionen? Keine Ahnung, auf alle Fälle besichtigen wir fast alle Tempel dieses Wats. Im Angesicht des überdimensional großen liegenden Buddhas beschleicht mich eine stille Ergriffenheit und Ehrfurcht. Ich fühle mich wahrhaftig klein neben dieser Figur. Auch die Ehrerbietung der thailändischen Besucher beeindruckt mich. Wir bleiben bis die Tore schließen.
Es ist dunkel geworden und so langsam melden sich unsere Mägen. Also stapfen wir los in Richtung eines alten Marktes, der am Wasser in alten Holzbarracken untergebracht ist, finden dort auch eine Möglichkeit zu essen, genießen unser erstes Pat Thai und sind sehr zufrieden. Aber ins Hotel zurück wollen wir noch nicht. Wieder zieht uns das Gelände mit den alten Markthallen am Fluss an und wir entdecken mitten drin, im ersten Stock eine stylische kleine Bar mit Blick aufs Wasser und auf ein weiteres Wat, am gegenüberliegenden Flussufer gelegen und schön beleuchtet. Auch Livemusik wird geboten. Ein junger Thailänder begleitet sich selbst an der Gitarre und singt mit tiefer, voller Stimme amerikanische Songs, zum Beispiel von Michael Bublé . Mit unserem ersten Tag in Bangkok sind wir sehr zufrieden und treten den Heimweg an – natürlich zu Fuß.
